Die Weltaflex – klassische TLR-Kamera aus der ehemaligen DDR
Die Weltaflex wurde erstmals an der Leipziger Herbstmesse 1954 vorgestellt und war ab 1955 im Handel erhältlich (zeissikonveb.de). Sie basiert auf der Reflekta II, die vom Volkseigenen Betrieb (VEB) «Reflekta-Kamerawerk Tharandt» bereits vollständig entwickelt worden war, als dieser 1950 in den VEB Welta eingegliedert wurde.
Bei der Weltaflex handelt es sich um eine Mittelformatkamera, die mit heute noch erhältlichem 120er-Rollfilm 12 Aufnahmen im Format 6×6 cm ermöglicht. Mit einem Gewicht von 1062 Gramm war sie zur Zeit ihrer Einführung ein echtes Schwergewicht in ihrer Klasse.
Ein erster Blick auf die Weltaflex
Wie bei allen TLR-Kameras wird die Front der Weltaflex durch die beiden übereinander angeordneten Objektive geprägt. Diese sind zusammen mit weiteren Bedienelementen auf einer beweglichen Objektivstandarte montiert.
Auf der linken Kameraseite dominiert etwas oberhalb der Mitte der Drehknopf zur Entfernungseinstellung. Die drehbare Distanzskala ist mit einer feststehenden Tiefenschärfenskala kombiniert. Zwei kleinere, herausziehbare Knöpfe dienen dazu, beim Einlegen oder Entfernen des Films die Spulen im Kamerainnern zu lösen oder zu verriegeln. Ebenfalls auf der linken Seite befinden sich ein Blitzkontakt sowie eine Öse zur Befestigung eines Tragegurts. Eine zweite Tragegurtöse findet sich gegenüberliegend auf der rechten Seite. Schräg darunter liegt der Filmtransportknopf, weiter vorne der hebelförmige Auslöser.
In die Rückwand ist ein Rotfenster integriert, durch das beim Filmtransport die Bildnummern auf dem Schutzpapier abgelesen werden können. Eine spätere, besser ausgestattete Variante der Weltaflex verfügte über ein automatisches Bildzählwerk, das unterhalb des Auslösers positioniert war.
Dank drei etwa 2 mm vorstehenden Standfüssen steht die Weltaflex auch auf leicht unebenem Untergrund stabil. Damit sind verwacklungsfreie Aufnahmen bei längeren Belichtungszeiten möglich. Das Gleiche gilt auch mit Aufnahmen ab Stativ. Dafür ist in der Bodenplatte ein 3/8-Zoll-Gewinde vorgesehen.
Bild: Thomas Kurpjuweit, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Frontplatte mit den Objektiven
Qualitätsentscheidend für jede Kamera sind Objektiv und Verschluss. Bei der in diesem Beitrag vorgestellten Weltaflex sind sowohl für das Aufnahme- als auch für das Sucherobjektiv jeweils ein Ludwig Meritar 3,5/75 mm verbaut. Als Ausstattungsvarianten wurden zudem das Meyer Trioplan 3,5/75 mm sowie das Rectan 3,5/75 mm angeboten.
Beide Objektive inklusive Verschluss sind auf einer gemeinsamen Standarte montiert und bewegen sich beim Drehen des Entfernungseinstellungsknopfs synchron vor und zurück. Auf der Oberseite der Objektivstandarte befindet sich zudem der Anschluss für einen Drahtauslöser.
Der Prontor-SVS Verschluss
Das Aufnahmeobjektiv ist in den Verschluss eingelassen. Bei der hier vorgestellten Weltaflex kommt ein Prontor-SVS Verschluss der Firma Alfred Gauthier Calmbach zum Einsatz. Er bietet Verschlusszeiten von 1 Sekunde bis 1/300 Sekunde sowie einen Bulb-Modus (B). Alternativ wurden Weltaflex-Kameras mit einem in der ehemaligen DDR entwickelten und hergestellten Vebur-Verschluss ausgestattet, der Zeiten von 1 bis 1/250 Sekunde ermöglichte.
Beim Prontor-SVS wird die Verschlusszeit am Rändelring eingestellt, der sich mit Daumen und Zeigefinger greifen lässt. Da dieser nur knapp 3 mm aus der Objektivstandarte herausragt, ist das Einstellen allerdings etwas fummelig. Auch das Verstellen der Blende erfordert Fingerspitzengefühl, da der kleine, dreieckige Blendenhebel nur mit dem Fingernagel von Daumen oder Zeigefinger bedient werden kann.
Der Spannhebel ist dagegen gut erreichbar und befindet sich links neben dem Verschluss. Zum Spannen wird er nach oben gezogen. Die Kamera verfügt über eine Doppelbelichtungssperre und wird über den Auslöser an der rechten Kameraseite betätigt.
Der Schachtsucher
Der Lichtschachtsucher der Weltaflex ist klassisch aufgebaut und zeigt ein angenehm helles, seitenverkehrtes Sucherbild auf einer Mattscheibe. Für präzises Fokussieren steht eine integrierte Klapplupe zur Verfügung, die den zentralen Bildbereich vergrössert. Ihr Hochklappen ist allerdings nicht selbsterklärend: Erst durch leichten Druck auf die rechte Seite entriegelt sie und springt dank Federmechanismus in die Horizontale.
Zusätzlich verfügt die Kamera über einen integrierten Rahmensucher für die schnelle Bildgestaltung. Dieser sogenannte Sportsucher besteht aus einem vorderen Guckfenster und einem variablen Ausschnitt am hinteren Teil des Schachts. Über einen kleinen Hebel lässt sich dieser Ausschnitt manuell verschieben, um bei Distanzen unter zwei Metern einen einfachen Parallaxe-Ausgleich zu ermöglichen. Eine clevere Lösung, wie ich sie bislang bei keiner anderen TLR-Kamera dieser Klasse gesehen habe.
Der Spiegel unter der Mattscheibe ist trapezförmig. Von bisher drei Weltaflex-Kameras, die ich in Händen hielt, zeigten zwei einen stark korrodierten Spiegel. Das Motiv war auf der Mattscheibe dieser Kameras kaum noch zu erkennen. Beim hier vorgestellten Exemplar sind nur leichte Spuren zu sehen und das Sucherbild bleibt angenehm hell. Ob es sich dabei um ein generelles Qualitätsproblem bei der Verspiegelung handelt?
Mit Flexini die Zukunft sichern?
Eine interessante Erweiterung für die Weltaflex war der sogenannte Flexini-Einsatz, mit dem sich anstelle des üblichen Rollfilms auch handelsüblicher Kleinbildfilm (Typ 135) verwenden liess. Welta wollte damit den Kundinnen und Kunden die Möglichkeit bieten, den damals aufkommenden Farbdiafilm in ihrer Mittelformatkamera zu nutzen.
Der Einsatz ermöglichte 27 Aufnahmen im Format 24×36 mm. Damit liess sich die Weltaflex zwar vielseitiger einsetzen, doch die Ausbeute an Bildern auf einem 36er-Film war eher bescheiden. Ob dieses Zubehör wirklich viele Anwender überzeugen konnte?
Die originale Anleitung zum Flexini-Einsatz bietet eine detaillierte Übersicht über Aufbau und Handhabung und ist hier als PDF einsehbar.
Film einlegen – kein Problem
Bevor es mit dem Fotografieren losgehen kann, wird ein Film mit passender Empfindlichkeit eingelegt. Das funktioniert bei der Weltaflex im Prinzip wie bei anderen TLR-Kameras für 120er-Rollfilm. Der unbelichtete Film wird in das Fach im Kameraboden eingelegt, während sich oben eine leere Aufnahmespule befindet. Der Film wird nun über die beiden Führungsrollen der Filmebene gezogen und das Papierende in den Schlitz der oberen Spule eingeführt. Nach ein paar Umdrehungen des Transportknopfs auf der rechten Kameraseite sollte der Film straff aufliegen und sicher fixiert sein. Danach kann die Rückwand geschlossen werden.
Im geöffneten Rotfenster auf der Kamerarückseite lässt sich beim Weitertransport des Films die auf das Schutzpapier gedruckte Zahl der nächsten Aufnahme ablesen. Sobald die «1» erscheint, ist der Film korrekt positionier und die Kamera somit aufnahmebereit. Eine automatische Bildzählung bietet nur das spätere, überarbeiteten Modell.
Nach der zwölften Aufnahme wird der Film vollständig auf die obere Spule aufgewickelt, bevor die Rückwand geöffnet wird. Der belichtete Film kann dann entnommen und mit dem Klebestreifen am Papierende fixiert werden. Die leere Spule wird anschliessend von oben nach unten umgesetzt – und die Kamera ist bereit für den nächsten Film.
Mein Fazit zur Weltaflex
Die Weltaflex überzeugt mit einer insgesamt durchdachten Ergonomie: Die wichtigsten Bedienelemente sind sinnvoll angeordnet und gut erreichbar. Etwas Geduld erfordert allerdings das Einstellen von Verschlusszeit und Blende. Beides ist bauartbedingt eher fummelig.
Von bisher drei Weltaflex-Kameras, die ich bisher in Händen hielt, zeigten zwei deutliche Korrosion am Spiegel – das Sucherbild war entsprechend dunkel. Beim hier beschriebenen Exemplar ist der Spiegel in besserem Zustand, was sich in einem angenehm hellen Bild auf der Mattscheibe bemerkbar macht. Wichtig: Der Spiegel sollte keinesfalls gereinigt werden. Die Verspiegelung ist extrem empfindlich und lässt sich leicht beschädigen.
Auch das relativ hohe Gewicht macht sich unterwegs bemerkbar. Mit über einem Kilogramm gehört die Weltaflex nicht zu den Kameras, die man spontan in die Tasche steckt. Trotzdem: Meine Weltaflex arbeitet zuverlässig, und die erzielbare Bildqualität hat mich positiv überrascht. Einige Beispiele zeige ich unten in einer kleinen Galerie.