Nikkormat FT – Der unterschätzte Klassiker

Robust, zuverlässig und deutlich günstiger als die Nikon F: Die SLR-Kamera Nikkormat FT war Mitte der 1960er-Jahre die ideale Wahl für ambitionierte Amateure und ein praktisches Zweitgehäuse für Profifotografen. Hergestellt von 1965 bis 1967 durch Nikon, verbindet sie vollmechanische Technik mit einem eingebauten Belichtungsmesser. Auch ohne Batterie bleibt sie vollständig funktionsfähig. Mit einem Gewicht von 755 Gramm lag sie im Mittelfeld vergleichbarer SLR-Kameras jener Zeit: Leichter war die Pentax Spotmatic SP mit etwa 620 g, deutlich schwerer die Topcon RE Super mit rund 820 g. In Japan wurde die hier vorgestellte SLR-Kamera unter dem Namen Nikomat FT verkauft und überzeugt heute noch durch ihre solide Bauweise und sein klassisches Design.

Die Nikkormat FT von schräg oben portraitiert.

Ein erster Überblick

Die Oberseite der Nikkormat FT ist funktional und übersichtlich aufgebaut. Ganz links befindet sich die Rückspulkurbel, mit der der belichtete Film zuletzt manuell zurückgespult wird. Direkt daneben liegt ein kleines Fenster mit einer Belichtungsanzeige, die es ermöglicht, die Belichtung auch von oben abzulesen. Eine weitere Anzeige ist im Sucher sichtbar. Die runde Taste rechts neben dem Prismengehäuse dient dazu, die Blende des Objektivs auf den eingestellten Wert zu schliessen, was eine Kontrolle der Schärfentiefe erlaubt.

Ganz rechts auf der Oberseite befinden sich der Schnellspannhebel, das Zählwerk für die Filmaufnahmen sowie der Auslöser mit einem integrierten Gewinde für einen mechanischen Drahtauslöser. Ein fest verbauter Zubehör- oder Blitzschuh ist bei diesem Modell nicht vorhanden, konnte jedoch als optionales Zubehör über dem Okular montiert werden. Für den Anschluss von Blitzgeräten stehen an der linken Gehäuseseite eine M- und eine X-Buchse zur Verfügung.

Die Bedienelement auf der Oberseite der Nikkormat FT im Detail

Was viele möglicherweise irritiert: Auf der Oberseite lässt sich die Belichtungszeit nicht einstellen. Dafür muss man einen Blick auf die Vorderseite werfen. Rund um das Bajonett liegt dort der Einstellring für die Verschlusszeiten. Ein kleiner Hebel erleichtert das Greifen und Verstellen. Als Objektivanschluss dient der bewährte Nikon F-Mount, der eine grosse Auswahl an Wechselobjektiven ermöglicht.

Auf der Vorderseite ist von vorne betrachtet links neben dem Objektiv der mechanische Selbstauslöser untergebracht. Auf dem rechten Bereich der Kamerafront sitzt der Entriegelungsknopf für das Objektiv und darüber ein länglicher Schiebeschalter zur Arretierung des Spiegels. Diese Funktion hilft, Erschütterungen bei Langzeitbelichtungen zu vermeiden. Ausserdem verhindert sie bei extrem weitwinkligen Objektiven wie dem Nikkor 21mm f/4 eine mögliche Kollision zwischen der Rücklinse und dem hochklappenden Spiegel, da diese Objektive tief in den Spiegelkasten hineinragen.

Die Frontseite der Nikkormat FT

Der Verschluss

Die Nikkormat FT ist mit einem rein mechanischen Schlitzverschluss ausgestattet, der senkrecht ablaufende Metalllamellen verwendet. Die Verschlusszeiten reichen von 1 Sekunde bis zu 1/1000 Sekunde. Zusätzlich steht eine B-Einstellung für Langzeitbelichtungen zur Verfügung. Die Blitzsynchronisation ist bei einer kürzesten Verschlusszeit von 1/125 Sekunde möglich.

Da sämtliche Zeiten mechanisch gebildet werden, arbeitet der Verschluss vollständig unabhängig von Batterien. Die Stromversorgung wird lediglich für die integrierte Belichtungsmessung benötigt.

Offene TTL-Messung mit mechanischer Kopplung

Der Belichtungsmesser der Nikkormat FT wird aktiviert, indem der Filmtransporthebel leicht ausgeklappt wird. Sobald der rote Punkt sichtbar ist, befindet sich der Hebel in der Bereitschaftsposition und die Messung ist eingeschaltet. Wird der Hebel zurück ans Gehäuse gedrückt, schaltet sich der Belichtungsmesser wieder aus. Dieses einfache System hilft, die Lebensdauer der Batterie zu verlängern.

Zunächst wird die Empfindlichkeit des eingelegten Films eingestellt. Dies erfolgt über einen kleinen Schieber unten am Verschlusszeitenring. Unterstützt werden Werte von ISO 12 bis ISO 1600.

Im Sucher erscheint rechts eine senkrecht verlaufende Anzeige mit einer beweglichen Nadel sowie den Marken «+» und «–». Die Nadel reagiert auf das vom eingebauten Belichtungsmesser erfasste Licht. Zwei CdS-Zellen (Cadmiumsulfid) messen dabei die durchschnittliche Helligkeit des gesamten Bildfelds. Dieses Verfahren wird als offene TTL-Messung (Through The Lens) bezeichnet. Die Belichtung gilt als korrekt eingestellt, wenn sich die Nadel mittig zwischen den beiden Marken befindet. Dazu werden Blende und Verschlusszeit so angepasst, bis dieser Punkt erreicht ist.

Ausgeklappter Schnellspannhebel der Nikkormat FT mit sichtbarem rotem Punkt.
Der Schieber, mit welchem bei der Nikkormat FT die Filmempfindlichkeit eingestellt wird.
Die Belichtungsanzeige oben auf dem Gehäuse der Nikkormat FT (Detailaufnahme)

Besonders praktisch ist die kleine zusätzliche Anzeige direkt neben der Rückspulkurbel auf der Kameraoberseite. Sie zeigt die Belichtungsnadel ebenfalls an und erlaubt so eine Kontrolle der Belichtung, ohne dass durch den Sucher geblickt werden muss, was u. a. ideal für Stativaufnahmen oder Arbeiten in Bodennähe ist.

Stromversorgung der Belichtungsmessung

Die Belichtungsmessung der Nikkormat FT wurde früher durch eine einzelne Quecksilberbatterie mit 1,35 Volt betrieben. Ursprünglich kam eine PX625 zum Einsatz, auch bekannt unter der Bezeichnung MR-9. Diese Batterien waren aufgrund ihrer stabilen Spannungskurve bestens für die Belichtungsmessung in analogen Kameras geeignet, sind heute jedoch aus Umweltgründen nicht mehr erhältlich.

Als Ersatz bieten sich verschiedene Lösungen an. Eine Möglichkeit ist die WeinCell MRB625, eine moderne Zink-Luft-Batterie, die wie das Original eine Spannung von 1,35 Volt liefert. Sie funktioniert zuverlässig, hat allerdings nur eine begrenzte Lebensdauer nach Aktivierung, meist etwa sechs bis acht Wochen. Alternativ kann ein Adapter verwendet werden, in den eine handelsübliche 1,55 Volt Silberoxid-Knopfzelle eingesetzt wird, zum Beispiel eine SR44. Der Adapter enthält eine Diode, welche die Spannung auf die erforderlichen 1.35 Volt reduziert. Zwar lassen sich auch Silberoxid-Zellen wie die SR44 ohne Adapter direkt in die Kamera einsetzen, doch führt dies wegen der höheren Spannung meist zu ungenauen Belichtungsmesswerten, da die Nikkormat FT keine interne Spannungsregulierung besitzt.

Das geöffnete Batteriefach der Nikkormat FT. Davor liegen eine SR44-Batterie, der benötigte Adapter und der Deckel des Batteriefachs.

Passende Adapter können mit Hilfe von frei zugänglichen 3D-Modellen auf dem eigenen 3D-Drucker hergestellt und mit einer im Fachhandel erhältlichen Diode vom Typ BAT43 gut selber hergestellt werden.

Alternativ bietet sich die Nutzung eines externen Handbelichtungsmessers oder einer App fürs Smartphone an, da bei der Nikkormat FT ja ausser der Belichtungsmessung alles völlig mechanisch funktioniert.

Objektivwechsel mit Blendenkupplung

Damit die Kamera die Belichtung korrekt messen kann, muss sie wissen, über welchen Blendenbereich das angesetzte Objektiv verfügt. Deshalb ist es notwendig, bei jedem Objektivwechsel eine kurze Prozedur durchzuführen.

Wichtig ist zunächst, dass das Objektiv mit sogenannten Hasenohren ausgestattet ist. So werden die zwei kleinen Kupplungslaschen auf dem Blendenring des Objektivs genannt. Sie ermöglichen die mechanische Übertragung der Blendeninformation an die Kamera. Am Gehäuse sitzt der sogenannte Blendenmitnehmer, ein kleiner Hebel rechts oberhalb des Bajonetts (von vorne gesehen). Wenn die Hasenohren korrekt eingreifen, bewegt sich dieser Hebel synchron mit dem Blendenring. Nur so funktioniert das Belichtungsmesssystem der Nikkormat FT wie vorgesehen.

Vor dem Aufsetzen sollte der Blendenmitnehmer am Kameragehäuse im Uhrzeigersinn bis zum Anschlag gedreht werden. Am Objektiv wird Blende 5.6 eingestellt. Damit ist sichergestellt, dass der Mitnehmer sauber in die Hasenohren greift. Nun kann das Objektiv problemlos angesetzt und im Gegenuhrzeigersinn eingerastet werden.

Nun muss der Blendenbereich des Objektivs der Kamera „mitgeteilt“ werden. Dazu wird der Blendenring einmal vollständig von der grössten zur kleinsten Blendenöffnung und dann wieder zurück auf die grösste Blende gedreht. Dieses Vorgehen dient der korrekten Funktion des eingebauten Belichtungsmessers. Ist das Objektiv korrekt montiert und der Blendenring zweimal durchgedreht, sollte an der kleinen Skala am Verschlusszeitenring die grösste Blendenöffnung des Objektivs markiert sein. Die Kamera ist nun bereit zum Fotografieren mit gekoppelter Belichtungsmessung.

Nikkormat FT: Blendenkupplung bei Blende 5.6
Nach dem Prozess der mechanischen Kupplung ist auf dem Verschlusszeitenring in derentsprechenden Skala die maximale Blendenöffnung des Objketivs markiert

Die Nikkormat FT in der Praxis

Verglichen mit Kameras wie der Pentax ME oder der Olympus OM 1 ist die Nikkormat FT deutlich schwerer und massiver. In der Praxis trägt man damit spürbar mehr Technik mit sich herum. Für mich ist das jedoch kein Nachteil. Die Kamera wirkt solide und ist sehr robust. Ihre vollständig mechanische Konstruktion macht sie besonders zuverlässig. Zwar benötigt der Belichtungsmesser eine Batterie, doch alle anderen Funktionen bleiben auch ohne Strom vollständig erhalten.

Die Bedienelemente der Nikkormat FT sind grundsätzlich funktional angeordnet. Wenn die Kamera jedoch nach längerer Pause wieder zum Einsatz kommt, muss ich mich jeweils kurz daran gewöhnen, dass die Verschlusszeiten vorne an der Kamera über den Einstellring rund um das Bajonett gewählt werden. Auch passiert es mir immer wieder, dass ich die Kamera bereits vor dem Auge habe und dann feststelle, dass der Belichtungsmesser noch gar nicht eingeschaltet ist. Das Ausklappen des Filmtransporthebels sollte also zur Routine werden.

Ein Grössenvergleich zwischen der Pentax ME und der Nikkormat FT

Den Objektivwechsel empfinde ich als etwas umständlich. Das spezielle Verfahren, bei dem zuerst Blende 5.6 eingestellt, das Objektiv montiert und anschliessend der Blendenring vollständig durchgedreht wird, dauert im Vergleich zu anderen Kameras merklich länger. Sobald aber alles korrekt eingerichtet ist, funktioniert die TTL-Belichtungsmessung bei Offenblende einwandfrei. Die Abblendtaste auf der Kameraoberseite ist gut erreichbar und lässt sich bequem mit dem rechten Zeigefinger bedienen. Das ist ideal, um zwischendurch die Tiefenschärfe zu kontrollieren.

In Kombination mit der grossen Auswahl an kompatiblen Nikkor-Objektiven ist auch die Bildqualität der Nikkormat FT überzeugend. In der kleinen Bildergalerie dieses Beitrags finden sich einige Beispielaufnahmen aus meiner eigenen Praxis.

Galerie mit Beispielbildern