Photina Reflex III: Einfache Technik, überraschende Ergebnisse

Die Photina Reflex III gehört zu den einfacheren TLR-Kameras der 1950er-Jahre. Mit hochwertigeren Modellen wie der Rolleiflex kann sie technisch zwar nicht mithalten, doch gerade deshalb war ich gespannt, wie sie sich im praktischen Einsatz bewährt und welche Ergebnisse sich mit ihr erzielen lassen.
Hergestellt wurde die Kamera im Jahr 1954 von der Photavit-Werk GmbH in Nürnberg. Die Ursprünge des Unternehmens reichen zurück bis ins Jahr 1921, als Johannes Bolten die Bolta GmbH gründete. Anfangs spezialisierte man sich auf Produkte aus Hartgummi und Bakelit, bevor 1935 der Einstieg in die Kameraproduktion erfolgte. Die ersten Modelle wurden unter den Namen Boltavit und Photavit vermarktet. 1937 wurde die Firma in Photavit-Werk GmbH umbenannt, was die neue Ausrichtung auf den Kamerabau unterstreichen sollte.

Die Photina Reflex III von Photavit steht auf einer Mauer. Daneben liegt ein Rollfilm Kentmere 100

Die Photina Reflex III war die letzte zweiäugige Spiegelreflexkamera (TLR), die das Unternehmen entwickelte. Sie wurde zusätzlich unter verschiedenen Namen vertrieben: als Tower Reflex 30 für Sears in den USA und als OGA Reflex für den Münchner Grosshändler Obergassner. Technisch reiht sie sich in die Klasse der Einsteigerkameras ein: einfach in der Handhabung, robust gebaut und für den breiten Markt konzipiert.

Ein kurzer Überblick

Ein erster Blick auf die Photina Reflex III zeigt ein klassisches TLR-Design. Auf der Frontseite dominieren das Aufnahmeobjektiv mit dahinter liegendem Zentralverschluss und das darüber liegende Sucherobjektiv. Seitlich darunter ist der Auslöseknopf platziert.

Auf der rechten Kameraseite befinden sich zwei Drehknöpfe. Der grössere, obere Knopf dient dem Filmtransport und hält gleichzeitig die Aufnahmespule im Innern. Der kleinere Knopf darunter hält die Filmspule und kann, wie der Transportknopf, für den Filmwechsel herausgezogen werden. Auf der linken Seitenwand finden sich ebenfalls zwei herausziehbare Knöpfe zur Fixierung von Film- und Aufnahmespule. Zusätzlich befindet sich in der linken oberen Ecke der Seitenwand eine Anschlussbuchse für einen Blitz sowie, wie auch auf der rechten Seite, ein Noppen zur Befestigung eines Trageriemens.

Auf der Rückseite des Gehäuses ist ein Rotfenster mit Federverschluss eingelassen, das zur Anzeige der Bildnummer auf dem Filmrückpapier dient. An der Oberkante der Rückseite befindet sich ein horizontaler Schieber, mit dem sich die Kamerarückwand entriegeln lässt.

Nicht zuletzt ist am Kameraboden ein 1/4-Zoll-Stativgewinde eingelassen. Damit lässt sich die Photina Reflex problemlos auf heutigen Stativen montieren – ideal für Langzeitbelichtungen oder sorgfältig komponierte Aufnahmen vom Stativ.

Ds Bild zeigt die Photina Reflex III von rechts hinten.

Der Schachtsucher

Oben auf der Kamera befindet sich der klassische Schachtsucher. Er lässt sich mit dem rechts hinten angebrachten Entriegelungsknopf automatisch öffnen. Beim Betätigen des Knopfs springen die vier Wände des Schachts auf und geben den Blick auf eine überraschend helle Mattscheibe frei. Wie bei TLR-Kameras üblich, erfolgt die Bildkomposition aus der Bauchperspektive. Damit lassen sich eher tiefe Perspektiven gut meistern.

Für die präzise Scharfstellung kann eine Klapplupe verwendet werden, die an der Rückseite des Sucherschachts angebracht ist. Sie lässt sich nach oben klappen und über die Mattscheibe schwenken, um eine vergrösserte Darstellung des Bildzentrums zu ermöglichen.

Photina Reflex III mit aufgeklapptem Schachtsucher und eingeschwenkter Fokussierlupe

Alternativ lässt sich die Photina Reflex III mit Hilfe des integrierten Rahmensuchers auch auf Augenhöhe nutzen. Dafür wird der innere Teil der Frontplatte schräg nach innen geklappt, während gleichzeitig die Lupe über den Schacht geschwenkt wird. Durch den grossen quadratischen Ausschnitt in der Frontplatte in Verbindung mit dem deutlich kleineren Ausschnitt in der Sucherrückwand kann der Bildausschnitt grob abgeschätzt werden. Eine exakte Fokussierung ist dabei allerdings nicht möglich, da keine Darstellung auf der Mattscheibe erfolgt.

Photina Reflex III mit Rahmensucher.

Objektive und Verschluss

Such- und Aufnahmeobjektiv der Photina Reflex III sind über Zahnkränze miteinander gekoppelt, ein Prinzip, das man beispielsweise auch von der Voigtländer Brillant S kennt. Zwei frühere TLR-Modelle von Photavit besassen keine gekoppelten Objektive und zählten daher zu den sogenannten Pseudo-TLR-Kameras, ähnlich wie die Voigtländer Brillant (Modell 1, Metall).
In der hier vorgestellten Ausführung der Photavit Reflex III sind sowohl das Sucher- als auch das Aufnahmeobjektiv vom Typ Steinheil Cassar 1:3,5/75 mm. Die Distanzskala ist oben am Sucherobjektiv ablesbar und wird durch eine Tiefenschärfeskala ergänzt, welche den Schärfebereich für die gewählte Blende anzeigt. In einigen Quellen (z.B. camera-wiki.org) wird auch von einer alternativen Variante mit dem Isconar 1:3,5/75 mm der Firma ISCO Göttingen berichtet.
Hinter dem Aufnahmeobjektiv sitzt ein Zentralverschluss des Typs Prontor-SVS, hergestellt von der Firma Alfred Gauthier in Calmbach. Gemäss der Website Camerapedia soll es auch eine Variante mit einem einfacheren Pronto-Verschluss gegeben haben.

Photina Reflex III Objektive und Skalen im Detail

Die Verschlusszeiten- sowie die Blendenskala befinden sich auf der rechten Seite des Aufnahmeobjektivs und lassen sich beim Fotografieren daher nicht von oben einsehen, wie etwa bei einer Rolleiflex oder Yashica Mat.

Die Wahl der Verschlusszeit erfolgt über den gerändelten Einstellring. Der Prontor-SVS bietet Belichtungszeiten von 1 Sekunde bis 1/300 s. Für Langzeitbelichtungen steht zudem der Bulb-Modus (B) zur Verfügung. Die Blende wird stufenlos über einen separaten Hebel auf der linken Seite des Aufnahmeobjektivs eingestellt, von f/3,5 bis f/16. Direkt darüber befindet sich ein kleiner Hebel zur Umschaltung zwischen den Blitzsynchronisationsmodi M und X sowie zur Aktivierung des Vorlaufwerks (V) für den Selbstauslöser.

Der Verschluss wird gespannt, indem man den Spannhebel rechts am Aufnahmeobjektiv nach unten drückt. Die integrierte Doppelbelichtungssperre gibt den Auslösevorgang erst nach dem Filmtransport zur nächsten Bildnummer frei. Ausgelöst wird die Aufnahme, indem der Auslöseknopf seitlich zur Kameramitte hin geschoben wird.

Film einlegen – ein Kinderspiel

Das Einlegen eines Films gestaltet sich bei der Photina Reflex III erfreulich unkompliziert. Verwendet wird klassischer 120er Rollfilm, der 12 Aufnahmen im Format 6 × 6 cm ermöglicht. Wie bei allen Kameras dieses Typs empfiehlt es sich, den Film möglichst im Schatten einzulegen, um ungewollte Lichteinfälle zu vermeiden.

Die Rückwand wird über den Schiebeknopf an der oberen Gehäusekante entriegelt und samt Bodenplatte nach unten geschoben. So erhält man Zugang zu den beiden Filmkammern, für die neue Filmrolle unten und die leere Aufnahmespule oben.

Zunächst zieht man die kleinen Halteknöpfe auf beiden Seiten der unteren Kammer leicht heraus und arretiert sie in dieser Position durch eine kleine Drehung. Sollte sich dort noch eine leere Spule befinden, kann diese gleich ins obere Fach eingesetzt werden.

Nun wird die neue Rollfilmspule in das untere Fach eingelegt. Danach lässt man die Knöpfe wieder in ihre Ausgangsposition zurückschnappen. Das Papier wird entlang der Filmbahn zur oberen Spule geführt und in den Schlitz der Aufnahmespule eingefädelt. Durch ein paar Drehungen am Film-Transportknopf  wird das Papier straff und gerade über die Filmbahn gezogen. Sobald der Film sicher geführt ist, wird die Rückwand wieder geschlossen und verriegelt. Die Kamera ist nun bereit zum Vorspulen bis zum ersten Bild. Dies wird über das Rotfenster auf der Rückseite kontrolliert.

So wird der Film in die Photina Reflex III eingelegt.

Nach der zwölften Belichtung wird der Film vollständig auf die obere Spule weitertransportiert. Danach öffnet man die Kamera erneut und zieht sowohl den oberen Spulenknopf als auch den Transportknopf nach aussen, um die belichtete Filmrolle zu entnehmen. Diese sollte sofort mit einem Klebestreifen. Die nun leere Spule aus der unteren Kammer wird anschliessend als Aufnahmespule in das obere Fach eingesetzt. Und schon ist die Photina Reflex III bereit für den nächsten Film.

Fotografieren mit der Photina Reflex III

Die Photina Reflex III liegt beim Fotografieren angenehm in der Hand. Die wesentlichen Bedienelemente sind ergonomisch gut platziert und lassen sich mit beiden Händen problemlos erreichen, was zu einem erstaunlich flüssigen Arbeitsablauf führt.

Nach der Belichtungsmessung mit einer App auf dem Smartphone kippe ich die Kamera leicht nach links, um die Skalen für Verschlusszeit und Blende einsehen zu können. Mit Zeigefinger und Daumen der linken Hand stelle ich dann beide Werte ein. Die Distanz fokussiere ich mit beiden Daumen über den Zahnkranz am Aufnahmeobjektiv. Beim Film, den ich für diesen Beitrag belichtet habe, kam es bei zwei Aufnahmen offenbar zu einer ungewollten Verstellung der Verschlusszeit während des Fokussierens, ein Punkt, auf den ich künftig bewusster achten werde.

Der Schachtsucher ist hell und ermöglicht in den meisten Situationen eine zuverlässige Kontrolle von Fokus und Bildausschnitt. Lediglich bei starkem Sonnenlicht kann es vorkommen, dass zu viel Licht in den Sucherschacht fällt und das Scharfstellen des Motivs erschwert.

Trotz ihrer einfachen Ausstattung liefert die Photina Reflex III eine beachtliche Bildqualität. Die unten gezeigten Beispielbilder sprechen für sich. Aufgenommen wurden sie auf Kentmere 100, entwickelt in HC-110 von Adox und zuletzt mit SilverFast 9 gescannt. In den Bildecken ist eine deutliche Vignettierung sichtbar, doch aus meiner Sicht stört sie nicht. Im Gegenteil: Sie trägt zum charakteristischen Look und Charme dieser TLR-Kamera aus den 1950er-Jahren bei.

Die Ergebnisse