Pinhole Day – meine gedruckten Lochkameras
Der Worldwide Pinhole Day ist ein internationaler Aktionstag, der seit 2001 jedes Jahr am letzten Sonntag im April gefeiert wird. Sein Ziel ist es, die Kunst der Lochkamera-Fotografie weltweit bekannt zu machen und zu fördern. Interessierte auf der ganzen Welt werden eingeladen, sich mit dieser ursprünglichen und entschleunigten Form der Fotografie auseinanderzusetzen.
Mit selbstgebauten oder gekauften Lochkameras lässt sich der bewusste fotografische Prozess erleben, ganz ohne moderne Technik. Die Pinhole-Fotografie ermöglicht ein bewussteres Fotografieren und das Erleben und Erkunden neuer Perspektiven. Wer möchte, kann seine entstandenen Aufnahmen auf der offiziellen Webseite pinholeday.org hochladen und Teil einer grossen, internationalen Online-Ausstellung werden.
Die Ursprünge der Pinhole-Fotografie
Die Pinhole-Fotografie basiert auf dem Prinzip der Camera Obscura, das bereits in der Antike bekannt war. Menschen beobachteten, dass Licht, das durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt, ein umgekehrtes Bild der Aussenwelt auf der gegenüberliegenden Fläche erzeugt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus die eigentliche Pinhole-Fotografie. Dabei wurden die projizierten Bilder nicht nur sichtbar gemacht, sondern auf lichtempfindlichem Material festgehalten. Für die Aufnahme genügte eine lichtdichte Box mit einem winzigen Loch als Lichteinlass. Teure und komplexe Objektive waren nicht nötig.
Prinzip der Camera Obscura (historische Darstellung)
Public Domain, via Wikimedia Commons
Zwar wurden Lochkameras im Laufe der Zeit von technisch fortschrittlicheren Apparaten verdrängt. Trotzdem hat diese Art der Fotografie bis heute ihren Reiz bewahrt. Die Pinhole-Fotografie ist eine einfache, kreative und kostengünstige Möglichkeit, Bilder mit unendlicher Schärfentiefe zu gestalten.
Ab den 1960er-Jahren entdeckten Fotografinnen und Fotografen die Lochkamera neu. Sie schätzten sie als bewusst einfache, experimentelle Alternative zur mittlerweile sehr technisch geprägten Fotografie. Somit hat die Pinhole-Fotografie einen festen Platz als kreative Ausdrucksform gefunden.
Der Weg zur eigenen Lochkamera
Eine eigene Pinhole-Kamera lässt sich einfach und kostengünstig herstellen – etwa aus Kartonboxen, Blechdosen oder sogar aus alten Kameras. Zahlreiche Anleitungen im Internet zeigen, wie vielseitig der Bau einer Lochkamera sein kann. Das Herzstück jeder Konstruktion ist dabei stets ein winziges Loch, das in dünnes Blech gestochen wird und als Blende dient.
Mit etwas handwerklichem Geschick und meist kostenlosen Materialien kann man rasch in die faszinierende Welt der Lochkamera-Fotografie eintauchen. Wer den Eigenbau scheut, findet insbesondere rund um den jährlich stattfindenden Pinhole Day zahlreiche Workshops oder kauft sich im Handel eine fertige Lochkamera.
Meine Pinhole-Fotografie
Den Worldwide Pinhole Day habe ich zum Anlass genommen, meine Lochkameras in diesem Beitrag kurz vorzustellen. Gleich vorweg: Die Pinhole-Fotografie ist nicht mein fotografischer Schwerpunkt. Bin ich jedoch mit Lochkameras unterwegs, suche ich gezielt neue Herausforderungen, die sich aus den reduzierten technischen Möglichkeiten unweigerlich ergeben.
Zum Einsatz kommen bei mir ausschliesslich Kameras, die ich selbst auf meinem 3D-Drucker hergestellt habe. Online findet sich eine grosse Auswahl an Modellen, die kostenlos heruntergeladen werden können. Mit der Zeit entwickelte ich ein Gespür dafür, welche dieser Kameras wirklich praxistauglich sein könnten. Denn in der Vielzahl an 3D-gedruckten Lochkameras gibt es sowohl sehr ausgereifte Konstruktionen als auch viele, die mich weniger überzeugen konnten.
Aktuell nutze ich ausschliesslich Lochkameras für das Mittelformat, also für 120er-Rollfilm. Das Kleinbildformat erscheint mir für die Pinhole-Fotografie zu klein, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen.
Bei meinen ersten Versuchen verwendete ich den kostengünstigen Kentmere 100. Schon mit dem ersten Kameramodell gelangen gute Aufnahmen. Danach wollte ich unbedingt weitere Erfahrungen sammeln. Inzwischen sind bei mir sechs verschiedene Pinhole-Kameras im Einsatz, die ich weiter unten kurz vorstelle.
Heute arbeite ich fast ausschliesslich mit dem Film ILFORD PanF Plus. Durch seine niedrige Empfindlichkeit von ISO 50 lassen sich selbst bei hellen Lichtverhältnissen Belichtungszeiten von vier Sekunden und mehr erreichen. Gerade die langen Belichtungszeiten machen ja einen wesentlichen Teil des Charmes von Pinhole-Aufnahmen aus.
Meine Kameras aus dem 3D-Drucker
Alle Kameras, die ich hier vorstelle, wurden von Todd Schlemmer entwickelt und sind auf Thingiverse kostenlos zum Download verfügbar. Schon früh stellte ich fest, dass Todd Schlemmer über grosse Erfahrung mit 3D-gedruckten Pinhole-Kameras verfügt, die er über einen langen Zeitraum hinweg weiterentwickelt hat.
Aktuell befindet sich eine weitere Kamera bei mir im Bau. Dora Goodman bietet auf ihrer Website die Lochkamera SCURA an, sowohl in einer Version für 135er- als auch für 120er-Film. Wer sich diese Kameras selbst drucken möchte, findet dort auch die Modelldateien, Pläne und Konstruktionsanleitungen als Open-Source-Dateien zum freien Download.
terraPin 6×6
Die terraPin 6×6 war die erste Kamera, die ich gedruckt habe. Sie ist klein, handlich und lieferte bereits bei meinen ersten Schritten in die Pinhole-Fotografie erstaunlich gute Bilder. Das Design erlaubt den Einsatz von wechselbaren Modulen mit unterschiedlichen Brennweiten, die ebenfalls gedruckt werden können.
Bei der ersten Nutzung traten leichte Lightleaks auf. Ich vermute jedoch, dass dies eher an meinem damaligen 3D-Drucker, einem Anycubic Mega S, lag. Dieser war möglicherweise nicht optimal eingestellt und druckte mit zu grossen Toleranzen.
Da das Gehäuse beim ersten Versuch nicht ganz perfekt gelang, druckte ich für die zweite Brennweite gleich ein weiteres Gehäuse mit. So stehen mir heute zwei terraPin 6×6-Kameras zur Verfügung: eine mit einer Brennweite von 50 mm und eine weitere mit einer extrem kurzen Brennweite von 18 mm.
Kamera mit 50mm: www.thingiverse.com/thing:495230
Einsatz 18mm: www.thingiverse.com/thing:1003660
terraPin OSKAR
Von der terraPin OSKAR habe ich zwei Varianten gedruckt. Beide basieren auf der gleichen Grundkonstruktion, unterscheiden sich jedoch im Aufnahmeformat: Die kleinere, kompakte Version nimmt Bilder im Format 6×6 auf, während die breitere Kamera Aufnahmen im Format 6×9 ermöglicht.
Diese beiden Lochkameras lassen sich extrem einfach zusammenbauen, sind äusserst benutzerfreundlich und liefern für mich beeindruckende Bildergebnisse. Die Aufnahmen sind gleichmässig ausgeleuchtet, von überzeugender Qualität und bewahren dennoch den typischen Charme der Pinhole-Fotografie.
Mein ausführlicher Blogbeitrag zur terraPin OSKAR 6×6: www.pics-and-cams.ch/2024/06/die-terrapin-oskar-lochkamera-ein-erster-erfahrungsbericht/
terraPin OSKAR 6×6: www.thingiverse.com/thing:1835844
terraPin OSKAR Tuxedo 6X9: www.thingiverse.com/thing:2375808
terraPin OSKAR² Stereo
Nach den guten Erfahrungen mit den beiden Grundmodellen der terraPin OSKAR wagte ich mich an die terraPin OSKAR² Stereo. Diese Lochkamera nimmt gleichzeitig zwei Bilder im Format 6×6 auf. Die beiden Verschlüsse sind über Zahnkränze miteinander synchronisiert.
Vor dem ersten Einsatz verspürte ich eine gewisse Unsicherheit, ob diese Spezialkamera die Erwartungen erfüllen würde. Gleichzeitig war die Neugier gross. Für die Aufnahmen mussten spezielle Motive gefunden werden, die über interessante Staffelungen der Objekte verfügten. Und auch hier wurde ich nicht enttäuscht: Die Bildqualität überzeugte auf Anhieb.
Was noch fehlte, war eine Möglichkeit, die Stereobilder angemessen zu betrachten. Fündig wurde ich erneut auf Thingiverse: Ein faltbares Stereoskop, das sich leicht drucken und bequem transportieren lässt, ergänzt nun mein Pinhole-Equipment perfekt.
terraPin OSKAR² Stereo: www.thingiverse.com/thing:2622458
Foldable Stereoscope: www.thingiverse.com/thing:5446241
terraPin OSKAR Kaiju 6×18
Nach der Stereo-Pinhole-Kamera druckte ich mir als weitere Spezialkamera die terraPin Kaiju, eine Panorama-Kamera. Sie nimmt Bilder im Format 6×18 cm auf, was lediglich vier Aufnahmen pro Rollfilm ermöglicht.
Dank der gewölbten Rückwand werden die Bilder erstaunlich gleichmässig ausgeleuchtet. Vor der Belichtung des ersten Films war ich gespannt, ob der Filmstreifen über diese grosse Distanz überhaupt sicher in der Führung gehalten werden würde. Doch alle Zweifel wurden beim ersten Einsatz schnell zerstreut. Ich liebe diese Kamera, auch wenn pro Film nur vier Aufnahmen möglich sind und die Kaiju aufgrund ihrer Grösse etwas sperrig wirkt.
Mein ausführlicher Beitrag zur terraPin Kaiju 6×18: www.pics-and-cams.ch/2024/06/die-terrapin-oskar-lochkamera-ein-erster-erfahrungsbericht/
terraPin Kaiju 6×18: www.thingiverse.com/thing:876457















