Lordox Baby – die Günstige vom Versandhaus

Kürzlich habe ich eine kleine Kamera des eher wenig bekannten Herstellers Leidolf erhalten. Schon beim Belichten des ersten Films habe ich mich in diese einfache Kamera aus den späten 1950er Jahren verliebt. Die entstandenen Bilder sind von erstaunlicher Qualität. Die Lordox Baby liegt gut in der Hand und wiegt lediglich 453 Gramm. Trotz dem geringen Gewicht wirkt sie wertig.
In diesem Beitrag versuche ich die «Lordox Baby» im Detail vorzustellen.

Die Kamera Lordox Baby der Firma Leidolf. Daneben steht ein verpackter Film Kentmere 400

Versuch einer Einordnung

Die «Lordox Baby» stammt – wie die weltberühmten Leica-Kameras – aus Wetzlar. Dennoch finden die Modelle von Leidolf, wie auch der Hersteller selbst, in der Fachliteratur und in Onlinebeiträgen nur wenig Beachtung. Die Informationen im Internet sind spärlich und widersprüchlich: Man stösst sowohl auf die Bezeichnung «Lordox Junior» als auch auf «Lordox Baby», doch welche dieser Bezeichnungen welchem Modell entspricht, bleibt oft unklar. Auf den Gehäusen selbst sind die Namen nämlich nicht zu finden.

Die Lösung findet sich interessanterweise in den Katalogen des Versandhauses Quelle, das 1957 mit «Foto-Quelle» begann, die breite Bevölkerung mit preiswerten Kameras anzusprechen. Auf den Katalogseiten sind die verschiedenen Varianten der Kamera unter den Bezeichnungen «Lordox Junior» (Quelle) und «Lordox Baby» aufgelistet. Die beiden Modelle unterscheiden sich hauptsächlich in der Art der Verschlüsse: Die einfachere «Lordox Baby» ist mit einem Pronto-Verschluss ausgestattet, während die «Lordox Junior» den hochwertigeren Prontor-SVS-Verschluss besitzt.

Die äusseren Merkmale

Die gesamte Modellpalette der Leidolf-Kameras basiert auf nur zwei grundlegenden Gehäusetypen. Die hier vorgestellte «Lordox Baby» verwendet das neuere Gehäuse, bei dem der Sucher oder Messsucher nicht mehr oben auf dem Gehäuse aufsitzt, sondern in die obere Gehäuseabdeckung integriert ist.

Auf den ersten Blick könnte die «Lordox Baby» wie eine Messsucherkamera wirken, da das grundlegende Gehäusedesign für sowohl einfache Sucherkameras als auch Messsucherkameras genutzt werden konnte. Bei genauerer Betrachtung erkennt man jedoch, dass auf einer Seite nur eine Metallplatte mit dem Herstellerlogo eingelassen ist.

Detailansicht der Lordox Baby von vorne mit Sucherfenster und Fenster mit Logo

Die meisten Bedienelemente befinden sich auf der Oberseite der Kamera. Ganz rechts aussen liegt der Schnellspannhebel, der durch zweimaliges Betätigen den Film um eine Aufnahme weitertransportiert und gleichzeitig den Verschluss spannt. Links daneben befindet sich die Filmzählscheibe, deren Drehknopf auch zur Entriegelung des Films dient. Auf der Oberseite der Kamera ist zentral ein Zubehörschuh eingelassen, und weiter rechts findet sich der Drehknopf zum Rückspulen des Films, der gleichzeitig als Filmmerkscheibe dient.

Die Bedienelemente auf der Oberseite der Lordox Baby

Objektiv und Verschluss

In der «Lordox Baby» ist ein Triplon-Objektiv mit einer Brennweite von 50 mm fest verbaut, das eine maximale Blendenöffnung von 2.8 bietet und sich bis auf Blende 22 schliessen lässt. Die kürzeste Aufnahmeentfernung beträgt 1 Meter. Wie über die Kamera selbst, ist auch über das Triplon-Objektiv im Netz kaum etwas zu finden. Es ist recht wahrscheinlich, dass Leidolf die Objektive von anderen Herstellern fertigen liess. Im Aphog Forum fand ich lediglich die Vermutung, dass das Triplon-Objektiv von ISCO Göttingen gebaut wurde.

Das Triplon Objektiv der Lordox Baby

Richard Marchant schreibt in seinem Beitrag «Leidolf Wetzlar: The forgotten brand from the home town of Leica», dass Leidolf generell bei anderen deutschen Herstellern produzieren liess, und nennt als Beispiele die Firmen Schacht und Enna Werk in München. Ein weiterer Hinweis stammt von Wolfgang Sauer von der Gesellschaft für PhotoHistorica e.V., einem begeisterten Sammler von Leidolf-Kameras. Er vermutet, dass das Triplon-Objektiv möglicherweise von den Herstellern Rau oder Will, beide aus Wetzlar, produziert wurde. Allerdings gibt es keine gesicherten Quellen, die all diese Vermutungen bestätigen.

Das Triplon-Objektiv ist in einen Pronto-Verschluss der Firma Alfred Gauthier eingebaut. Dieser bietet eine Auswahl an Verschlusszeiten von 1/30 Sekunde bis 1/250 Sekunde sowie die Einstellung «B» für Langzeitbelichtungen. Beim Belichten des ersten Testfilms zeigte sich, dass diese eingeschränkten Verschlusszeiten gut handhabbar sind, sofern die Lichtverhältnisse nicht extrem variieren.

Eine Besonderheit der «Lordox Baby» ist die Position des Auslösers, der sich direkt oben rechts auf dem Verschluss befindet und mit dem Mittelfinger der rechten Hand gut zu erreichen ist. In den Auslöser ist ein Innengewinde für die Verwendung eines Kabelauslösers integriert. Links unten am Verschluss lässt sich mit einem kleinen Hebel das Vorlaufwerk spannen, und dahinter befindet sich die PC-Buchse für den Anschluss eines Blitzes.

Verschlussoberseite der Lordox Baby mit Verschlusszeiten und Auslöser

Den Film einlegen und heraus nehmen

Um die Kamera für das Fotografieren vorzubereiten, wird zunächst die Rückwand entfernt. Dazu dreht man den Verriegelungsmechanismus auf der Unterseite der Kamera in die Position «O» (Open). Dadurch lässt sich die Rückwand samt Boden abnehmen. Zwei Positionen sind auf dem Mechanismus markiert: «O» für offen und «C» für geschlossen.

Die Filmpatrone wird in das vorgesehene Fach im Kameragehäuse eingelegt, wobei darauf zu achten ist, dass die Achse des Rückspulknopfs sicher in die Filmkassette greift. Dies gewährleistet eine stabile Halterung und ermöglicht das spätere Rückspulen des Films. Das Filmende wird über die Kamera gespannt und die Lasche in den Schlitz der Aufwickelspule eingeführt. Der Schnellspannhebel wird nun zweimal betätigt, und anschliessend wird überprüft, dass die Zahnkränze der Transportspule korrekt in die Perforation des Films greifen.

Als nächstes wird der Film durch vorsichtiges Drehen des Rückspulknopfs im Uhrzeigersinn gespannt. Danach kann die Rückwand wieder aufgesetzt und in der Position «C» (Closed) verriegelt werden.

Lordox Baby mit geöffneter Rückwand.

Bevor die Filmzählscheibe eingestellt wird, muss der Schnellspannhebel erneut zweimal betätigt werden. Anschliessend wird die Scheibe mit dem Drehknopf so justiert, dass die dreieckige Markierung zwischen 0 und 36 steht. Nun drückt man den Auslöser und transportiert den Film durch zweimaliges Betätigen des Schnellspannhebels und anschliessendes Auslösen auf die Position 0. Die Kamera ist nun bereit.

Zum Entnehmen des vollständig belichteten Films muss dieser zunächst in die Filmpatrone zurückgespult werden. Dafür zieht man den Rückspulknopf links oben auf dem Kameragehäuse leicht heraus und hält gleichzeitig den kleinen Knopf im Zentrum des Filmzählwerks gedrückt. Der Film lässt sich dann durch Drehen des Rückspulknopfs im Uhrzeigersinn leicht in die Filmpatrone zurückspulen.

Lordox Baby: Detailansicht der Filmzählscheibe

Die Lordox Baby im praktischen Einsatz

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, macht das Fotografieren mit der «Lordox Baby» grossen Spass. Die Kamera ist klein, handlich und solide verarbeitet, obwohl sie ursprünglich als günstiges Einstiegsmodell in der Produktpalette galt. Die verfügbaren Verschlusszeiten von 1/30 Sekunde bis 1/250 Sekunde schränken die Einsatzmöglichkeiten zwar etwas ein – insbesondere, wenn der eingelegte Film über längere Zeit und bei wechselnden Wetterbedingungen und Lichtverhältnissen in der Kamera bleibt. Für mich sind diese Einschränkungen jedoch eher ein Anreiz zur Kreativität. Sobald ich diese Kamera in die Hand nehme, stelle ich mich bewusst auf ihre Eigenheiten ein. Nicht alles ist dann möglich.

Die «Lordox Baby» liegt ausgezeichnet in der Hand, und der Schnellspannhebel ist mit dem rechten Zeigefinger bequem zu erreichen. Der Filmtransport lässt sich entweder mit zwei vollständigen Zügen oder durch mehrere kürzere Bewegungen erledigen, wobei der Verschluss gleichzeitig gespannt wird. Die für einige ungewöhnliche Position des Auslösers auf dem Verschluss selbst war für mich schnell intuitiv erreichbar. Für mich hat sich folgende Vorgehensweise bewährt: Ich betätige den Schnellspannhebel mit dem rechten Zeigefinger und löse dann den Verschluss mit dem Mittelfinger aus.

Die Bildqualität, die die «Lordox Baby» liefert, hat mich angesichts ihres damaligen günstigen Preises positiv überrascht. Es ist nicht ganz leicht, diese Qualität zu beschreiben, da ich bislang keine spezifischen Testserien mit dem Triplon-Objektiv gemacht habe. Die Bilder in der kleinen Galerie bieten jedoch einen ersten Eindruck davon, was diese Kamera zu leisten vermag.

Ein Teil der Fotos wurde an zwei unterschiedlichen Tagen bei eher guten Lichtbedingungen auf eine Knodak Gold 200 aufgenommen. Bei den Schwarz/Weiss-Aufnahmen kam ein Kentmere 400 bei sehr trübem Wetter zum Einsatz.